Dieses Wochenende war ich wieder auf einer Beerdigung.

Der Tod gehört zum Leben dazu und doch stellt er uns, jeden auf seine Art und Weise, vor verschieden Herausforderungen. Er bedeutet Abschiednehmen, loslassen, er stellt uns vor emotionale Herausforderungen, bedeutet einiges an Organisation, dazu kommen Kosten, die je nach Aufwand nicht zu verachten sind und zwischenmenschliche Begegnungen, die zerreißend sein können.

 

Als ich 16 Jahre alt war ist mein Opa gestorben. Er war bereit für den Tod, konnte er doch von sich sagen, dass er auf ein gelebtes Leben zurückblicken durfte und zufrieden war. Und er hätte gerne noch einige Jahre gelebt, weil es noch so viele Bücher zu lesen gab und er das Leben zu feiern verstand. Aber der Tod kam und es war sein Wunsch, dass wir es auf seiner Beerdigung krachen lassen. Er hatte uns einen Tisch in einem seiner Lieblingsfischrestaurants reserviert, die Rechnung ging auf Opa. Wir haben lecker gegessen und viel gelacht über die zahlreichen komischen und lustigen Anekdoten, von denen er im Laufe seines Lebens so einige angesammelt hatte. Uns standen die Tränen in den Augen, meistens, vor lachen. Das war meine erste familiäre Beerdigung, auf der ich gewesen bin.

 

Ein paar Jahre später ist meine Oma verstorben, zu der ich ein sehr enges Verhältnis hatte. Sie ist früh gestorben und doch konnte man sagen, es ist der „natürliche Lauf“ der Dinge: Menschen werden geboren, wachsen, werden älter und irgendwann sterben sie wieder.

Da sie nicht in meiner unmittelbaren Nähe gelebt hatte, haben wir uns nach unserem letzten Wiedersehen wie immer intensiv verabschiedet. Ich war wie stets zu diesem Zeitpunkt Tränen übergossen. Wer mich schon länger kennt weiß, Abschiednehmen gehört nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Und doch spürte ich, diesmal ist es anders, es wird, zumindest in dieser Form, kein Wiedersehen geben.

 

Ein gutes Jahr später war ich auf der Beerdigung eines weiteren, mir sehr wichtigen und nahestehenden Menschen. Wir waren selber Jahrgang, sind zusammen aufgewachsen, haben die letzte Barbie-Party gemeinsam gefeiert, den ersten Liebeskummer zusammen gemeistert und Dinge miteinander geteilt, die ich sonst mit niemandem hätte teilen wollen. Dieser Tod kam so unvermittelt und überraschend, dass die bittere Wahrheit eine Unwirklichkeit mitbrachte, bei der sowohl das Herz als auch der Kopf Höchstleistung zu erbringen hatten um damit umgehen zu können.

Da uns mehrere km voneinander trennten, mein Urlaub vorbei war haben wir uns nach unserem letzten Wiedersehen mit den Worten verabschiedet: „wir sehen uns Karnevall wieder…“ – das war dann ihre Beerdigung….

Das Gefühl, dass ich mich bewusst von ihr verabschiedet hatte, hat mir in meinem Verarbeitungsprozess geholfen. Wir wissen nicht, was uns das Leben an der nächsten Kreuzung hinter der nächsten Kurve bietet, die einzige Sicherheit, die besteht ist: Tod kommt.

Diese Beerdigung war herzzerreißend. Als sensibler und empathischer Mensch habe ich zu meiner eigenen tiefen Traurigkeit auch die Trauer und das Leid all der Menschen wahrgenommen, die auch anwesend waren und der Schmerz von Eltern, von einer Mama, die über den Verlust ihres Kindes trauert ist unbeschreiblich.

 

Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon davon gehört, dass es Kulturkreise gibt, in denen der Tod ein Grund zum Feiern, nicht zum Traurigsein ist. Ich wollte wissen, wie der Verlust eines geliebten Menschen ein Grund zum Feiern werden kann.

 

Und so fand ich mich mitten in der Lehre des Yoga wieder:

 

Die Bhagavad Gita, der Wissenschaft der Seele, die Schrift, die die Hauptprinzipien der Hindureligion sehr anschaulich darlegt. Dort wird die unvergängliche Natur der Seele erklärt. Was bedeutet, dass unsere Existenz lange vor dieser Geburt auf dieser Welt begonnen hat. Für die Seele gibt es weder Vergangenheit, noch Gegenwart noch Zukunft. Unser kurzes Erdenleben ist nur eine Schule, die wir verlassen, sobald wir fertig sind. Wenn jemand stirbt, setzt seine Seele ihre Reise fort.

Alle großen Religionen vertreten die Überzeugung, dass der Körper zwar sterben mag, der Geist jedoch weiterlebt, und dass wir – zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort – die Menschen, die wir lieben, wiedersehen werden. Selbst in der Bibel wird der Tod als „Schlaf“ beschrieben, aus dem wir eines Tages erwachen werden.

 

Zu glauben, der Tod sei die letzte und endgültige Trennung kann sehr vernichtend sein. Aber wenn man glaubt, dass er nur eine vorübergehende Trennung bedeutet und dass die Seele weiterlebt, ist es nicht ganz so schmerzlich.

 

Ich fand auf meiner Suche die Bestätigung meiner Überzeugung für das unvergängliche Seelendasein.
Der Glaube, dass die Seele zu ihrem wahren Heim zurückkehrt und so eine höhere Ebene des Lernens gewinnt, half mir mit meinem Kummer ins Reine zu kommen.

 

Aus der yogischen Sichtweise wird das Leben mit dem Kreislauf der Sonne verglichen.

 

Der Sonnenaufgang steht für die Geburt, Sonnenlauf für Wachstum, Zenit ist die Zeit zwischen 20 und 50 Jahren, dann wieder der Sonnenlauf, der für die weitere Entwicklung steht und der Sonnenuntergang, der den Tod veranschaulicht. Und die Sonne ist nicht weg, wenn sie untergangen ist. So ist es auch mit der Seele. Sobald wir „sterben“, untergehen, steigen wir auf in die Astralebene.

 

In Indien werden die Tage nach dem Tod nicht als „Trauerzeit“ sondern als „Hilfezeit“ verstanden, um die Seele im Loslassen zu unterstützen damit sie gut die Astralebene erreichen kann.

 

 

In meiner Studienzeit der Pädagogik und Psychologie habe ich mich mit den Sterbephasen von Elisabeth Kübler-Ross beschäftigt. Die Sterbeforscherin hat nach ihren Beobachtungen mit schwerkranken Patienten und Angehörigen ein Modell von 5 Phasen des Sterbens beschrieben. Die letzte Phase nannte sie „Akzeptanz“. Die Sterbenden haben diese Phase erreicht, wenn sie ihr Schicksal angenommen haben, was meist mit einer Abkopplung von ihrer Umwelt zusammen läuft und dem Wunsch sterben zu dürfen. Angehörige und Helfende unterstützen den sterbenskranken Menschen ab dem Zeitpunkt am besten, indem sie die Erlaubnis erteilen, dass er gehen darf.

 

Diese Phase der Akzeptanz passt zu der indischen Philosophie der „Hilfezeit“ um die Seele bei ihrem Übergang zu unterstützen. Wobei ich auch nicht glaube, dass Hinterbliebenen sofort loslassen müssen. Wir sind in unserer Kultur anders erzogen, dazu kommen die unterschiedlichen individuellen Todesumstände und es bringt nichts, sich selber unnötig zu überfordern, indem die Trauer beiseite geschoben und runtergeschluckt wird.

Aber dem Verstorbenen zu erlauben es sich auf seiner weiteren Reise gut gehen zu lassen kann dem eigenen Gefühl helfen und es der gehenden Seele leichter ermöglichen loszulassen.

 

Vorausgesetzt wir glauben an die Weiterreise, an das Wiedersehen unserer Seelen, ja, an die Macht des Glaubens.

 

Glauben kann glücklich machen.

Auch zu dieser Beerdigung vergangenes Wochenende sind mir die Tränen gekullert – auch diesmal war ich von der Traurigkeit meiner Mitmenschen erfasst und ich habe gespürt, dass die Seele der Verstorbenen schon abgereist war und das ist auch gut so – alles Liebe und Gute auf Deiner Reise <3.

Um leben zu können brauchen wir alle ein gewisses Maß an Glauben und um glücklich zu sein noch viel mehr.

 

Das lässt sich an dem schönen Autobeispiel veranschaulichen:

Woher weißt Du, dass Dein Auto fahrsicher ist?
Weil es TÜV geprüft ist und erst vor kurzem in der Werkstatt überholt wurde!?

Und woher weißt Du, dass der Automechaniker gute Arbeit geleistet hat?
Du musst an die Fähigkeiten des Mechanikers glauben, an die Fähigkeiten der Menschen, die den Wagen herstellen, an Deine Fahrkünste, an die der anderen Fahrer,…

 

Es braucht eine Menge Glauben nicht von früh bis spät in Angst und Schrecken zu leben.

 

Und es braucht vor allem den Glauben an Gott, den Schöpfer, das kosmische Prinzip, die Weltenseele, die Quelle allen seins, die schöpferische Kraft – was auch immer für Dich passend sein mag.

 

Ich behaupte nicht, dass wir ohne Glauben an Gott nicht glücklich sein können, sondern nur, das es schwer ist, dauerhaftes Glück zu erlangen, wenn wir nicht an Gott, an diese Kraft glauben.

 

Mit Glauben lässt sich ein Unglück leichter überwinden. Er schenkt Hoffnung und Mut. Mahatma Gandhi sagte: „Ohne meinen Glauben wäre ich schon längst verrückt geworden.“ Und in der Tat gibt es psychologische Untersuchungen, die gezeigt haben, dass tief gläubige Menschen weniger an Depressionen und stressbedingten Krankheiten leiden und besser mit Verlusten fertig wurden.

 

Auch Dr. Carl Gustav Jung schrieb mal:
„Unter all meinen Patienten, die in der zweiten Lebenshälfte stehen, also über 35 Jahre alt sind, gab es nicht einen, dessen Problem nicht letzten Endes darin bestand, einen Glauben zu finden. Man kann mit Gewissheit sagen, dass jeder von ihnen erkrankte, weil er verloren hatte, was jede lebendige Religion ihren Anhängern schenkt; sie konnten erst als geheilt betrachtet werden, wenn sie ihren Glauben gefunden hatten.“

 

Manche Leute machen aus ihrer Religion eine Versicherung. Sie denken nur aus Angst an Gott. Wenn sie etwas für andere tun, beten und meditieren, dann nur, um ihre Gutschrift auf Gottes Tugendenkonto zu erhöhen.

 

Viele Zweifler, die nicht an Gott glauben, argumentieren mit dem Elend der Welt und schon alleine deswegen könne es keinen Gott geben.

 

Wir wissen, dass jeder seines Glückes Schmied ist und die Macht hat sein Glück zu kreieren. Mit Gedankenenergie und Handlungen gestalten wir unser Glücklichsein oder Unglücklichsein, nicht Gott.

 

Letztlich darf jeder für sich seinen Glauben finden.

 

Und ich glaube fest daran, dass es höchst befriedigend ist, dass Leben so zu leben, das jeder Augenblick sich selbst genug ist. Jeder Augenblick hat seinen eigenen Wert. Ich weiß, dass der Tod jederzeit präsent ist und gerade deswegen bin ich bereit zu leben. Ein lebendiges Leben ohne abgesicherte Routine und mit der Bereitschaft zum Risiko.

 

In diesem Sinne, wir sehen uns, sobald wir uns sehen und bis dahin genieße die Reise wo auch immer und lebe lebendig <3