Bei folgenden Zeilen musste ich schmunzeln:

 

„Zu Anfang des letzten Jahrhunderts wollte eine Frau Baronin ihren Urlaub in einem abgelegenem Bergdorf verbringen. Sie reiste dorthin und ließ im Gasthof Zimmer für die nächste Sommersaison reservieren. Wieder zu Hause fiel ihr ein, dass sie vergessen hatte sich nach dem Vorhandensein eines WCs zu erkundigen.

Die guten Leute im Bergdorf waren ratlos, was mit „WC“ wohl gemeint sein könnte. Der Wirt wandte sich an den Pfarrer. Dieser kam zu dem Schluss, es handle sich wahrscheinlich um die „Wald-Capelle“ aus dem Mittelalter, welche in der Nähe des Dörfchens stand. Daraufhin schrieben sie der Frau Baronin Folgendes:

„Hochverehrte Frau Baronin, WC ist vorhanden und befindet sich 3,5 km von der Ortschaft entfernt in einer Waldlichtung. Von dort aus genießt man einen herrlichen Rundumblick in das Tal und die gegenüberliegenden Berge. WC ist jeden 2. Sonntag geöffnet und enthält 45 Sitzplätze. Bei großem Andrang sind noch für ebenso viele Personen Stehplätze vorhanden. Der Anlass findet stets mit Orgelbegleitung statt, welche einen besonderen Genuss hervorruft. Bei schönem Wetter finden die Darbietungen von Zeit zu Zeit im Freien statt. Wir zweifeln nicht daran, dass auch Ihnen WC gefallen wird und sie dort ablegen können, was sie im Leben bedrückt.“

 

Herrlich, oder!?

Habs gelesen und dachte mir, einfach mal teilen – jetzt fragt sich die ein oder der andere vielleicht: „und, was hat das mit Yoga zu tun!?“

Ja, auch im Yoga gibt es einige Missverständnisse und diese abzulegen kann auf Dauer sehr befreiend und gesund sein.

 

1. Yoga ist kein Sport

Es geht nicht um wilde Körperverrenkungen, nicht um einen besseren Körper, Schönheit oder extreme Beweglichkeit. Es geht nicht darum jetzt noch schnell zum Yogakurs zu springen um den „body zu shapen“.

 

Yoga ist eine Philosophie.

 

Yoga sagt im Menschen ist alles angelegt. Es müssen nur viele Trübungen entfernt werden, damit das mentale Potenzial nicht mehr behindert wird. Es geht darum den eigenen Fokus zu finden, sich auf das Wesentlich zu konzentrieren und in diese Richtung zu entwickeln.

Der sichtbare Part im Yoga sind die Körperübungen, auch „Asanas“ genannt. Das Praktizieren von körperlichen Übungen in Verbindung mit der Atmung ist für viele Einsteiger der erste Kontakt mit dem Yoga. Das es aber darum geht den Geist über dieses üben in die Ruhe zu führen haben einige dann nicht mehr auf dem Schirm. Da geht es nur noch um Leistung, darum, wie tief komme ich in irgendeine Dehnung, wie weit kann ich das Bein gerade heben, wie definiert zeichnen sich die Muskeln ab, …

 

Es geht darum den eigenen Körper auf der Yogamatte zu erfahren, mit ihm in einen Dialog zu gehen und innerhalb dieses Dialoges heraus zu finden, was für einen persönlich günstig oder ungünstig ist. Einige Asanas sind sehr anspruchsvoll, können bei unsachgemäßer Durchführung auch schädigend sein und sind nicht für jede körperliche Voraussetzung geeignet.

Jeder darf bei sich sein und konkurrenzfrei üben.

 

Was ich in größeren Klassen leider oftmals beobachte ist, dass die Schüler den Ansagen einfach nachkommen, ohne wirklich zu fühlen, was für einen selber günstig oder ungünstig ist.

 

Wir dürfen dahin kommen das eigene Körpergefühl wahrzunehmen und uns darauf verlassen. Und das bedeutet auch, wenn ich mich in einer Übung nicht wohlfühle, den Unterrichtenden nach einer Alternative zu fragen. Darauf zu achten, wie meine jeweilige Tagesverfassung beim praktizieren ist und mich gegebenenfalls einfach mal rauszunehmen um nicht an meine Belastungsgrenze zu stoßen.

 

Es gibt keine perfekte Yoga-Übung. Wir dürfen den Druck rausnehmen, wie es auszusehen hätte. Yoga ist für jeden geeignet, sobald es auf die jeweilige körperliche Voraussetzung zu geschnitten ist. Und das beantwortet der ein und anderen vielleicht auch die Frage, warum es in meinem Unterricht einige Körperübungen so nicht gibt.

 

 

2. Missverständnis ist: Um Yoga zu üben sollte man schon sehr dehnfähig sein.

 

Dieses Missverständnis habe ich vermehrt bisher von den Männern als Äußerung zu hören bekommen.

Und auch hier gilt: Yoga startet wo Du bist!

Es gibt für jede Körperübung eine Variante. Wirklich „yogisch“ im Unterricht zu handeln bedeutet auch gewaltlos mit dem eigenen Körper umzugehen, rücksichtsvoll zu sein – „Ahimsa“ zu üben, Nichtverletzen.

 

Sehr dehnfähig zu sein heißt, dass der Körper gegenüber den Warnsignalen toleranter geworden ist. Damit ist eine größere Beweglichkeit erworben worden. Durch viele Wiederholungen ist es möglich den Körper da Schritt für Schritt hin zu führen. Der Nachteil dessen ist, dass erst später Gefahrensignale des Körpers wahrgenommen werden. So kann es dann passieren, dass eine Belastungsgrenze erst viel zu spät wahr genommen wird.

 

Es ist also nicht unbedingt nur von Vorteil so flexibel im Körper zu sein. Die Zielsetzung von Beweglichkeit ist so in den alten Yogatexten auch nicht zu finden. Erst im 20. Jahrhundert trat die Idee, dass ein gesunder Körper auch ein flexibler Körper sein muss in den Vordergrund.

 

Patañjali gab uns vor 2000 Jahren im Yoga-Sutra den Hinweis, dass wir während der Übungspraxis in den Yogahaltungen stabil und mühelos sein dürfen. Dazu gilt es heraus zu finden, was für unsere Praxis die aktuell angemessene Anstrengung ist und alle überflüssigen Anstrengungen loszulassen. Unser Atem wird uns zeigen, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Sobald die Balance zwischen Bemühen und Gelöstheit stimmt, dann kann unser Atem während der Übungen kraftvoll fließen.

 

Jenseits aller Vorstellungen und Erwartungen, die wir selbst oder andere an das Maß an Vollkommenheit in unserer Körperpraxis haben, hilft es uns in den Körper und den Atem hinein zu spüren, um zu erkennen ob wir den Mittelweg zwischen Komfortzone und Überforderung gefunden haben.

 

Und dann bin ich überzeugt dass auch Du das passende WC im Yoga für Dich findest 😉

(wobei in diesem Fall das W für wertvoll steht und das C für „chitta“ und das ist Sanskrit und bedeutet Gedanke, Denken).

 

Happy Grüße

Cathrin